Herbert Liman:
Obwohl wir im Arbeitsmaterial 31
auf den Seiten 2 und 3 und dem Arbeitsmaterial 30 auf
den Seiten 4 - 5 schon einiges zu diesem Meilenstein
gesagt haben, gibt uns der Aufsatz von Kristiane Lichtenfeld
in der Berlinischen Monatsschrift Heft 7/2000 der Edition
Luisenstadt, der immer noch im Internet veröffentlicht
ist, Anlass noch einmal alles Bekannte zu diesem Meilenstein
zusammenzufassen und das bisher Gesagte zu ergänzen.
Wer heute in Charlottenburg am Luisenplatz aus dem Bus
steigt, um sich zu den in den Stülerbauten untergebrachten
Museen zu begeben, kommt am Spandauer Damm an den Mauern
des ehemaligen Marstalles entlang und dort Ecke Nithackstraße
an einer Meilensäule vorbei. Die Säule auf einem Sockel
stehend, ihren oberen Abschluss bildet eine ziemlich
frisch vergoldete Kugel mit einer Spitze, trägt die
Aufschrift auf einer Tafel "Eine Meile von Berlin". In der Mehrzahl der Literaturangaben über diesen
Meilenstein wird geschrieben, dass er mit der Errichtung
der Chaussee zwischen dem Brandenburger Tor und dem
Schloss Charlottenburg im Jahre 1798 aufgestellt worden
ist. Diese Vermutung scheint sich aber nicht zu bestätigen.
Der Bau dieser Chaussee war im Sommer 1799 beendet.
Chausseegeld wurde vom 1. September 1799 bis zum 31.
Dezember 1874 erhoben. Bei der Bereisung anlässlich
der Vermessung der Straße zwischen Berlin und Magdeburg
über Spandau, Wustermark und Brandenburg im Oktober
1800, begann man in Charlottenburg, an dem Punkt wo
die Chaussee endet "welches zwischen dem Königs-
, Küchen- und Eckartsteinschen Garten statt hat".
Der erste ¼ Meilenpfahl stand auf der Höhe jenseits
der Windmühlen und der 1 Meilenpfahl in der Breiten
Straße in Spandau. Bei dieser sehr sorgfältigen Beschreibung
des Weges und der Vermessung wäre sicherlich der Meilenstein
erwähnt worden, wenn er gestanden hätte, bzw. sogar
wenn von ihm aus gemessen worden wäre. Auch das Maß
in Spandau 1 Meile weist eigentlich darauf hin, dass
eine Messung in Richtung Spandau nicht stattgefunden
hatte. Aber wann ist der Meilenstein dann gestellt worden?
Nach einer Mitteilung von Herrn Weigel in einer Zeitung
vom 17. April 1937 heißt es, dass der Situationsplan
vom Luisenplatz und Umgebung vom Jahr 1828 den Meilenstein
noch nicht enthalten haben, dass aber Straßenpläne von
1857 und Abbildungen aus dem Jahr 1859 den Meilenstein
dargestellt hätten. Das habe ich auch an den genannten
Plänen nachgeprüft. Sicher ist aber bereits, dass der
Meilenstein 1846 gestanden hat, denn in einer Kabinettsorder
vom 20 März des gleichen Jahres, betreffend einer Anweisung
für die Errichtung der Meilensteine auf der Straße zwischen
Berlin und Potsdam, wird auf den Meilenstein in Charlottenburg
als Muster hingewiesen. So kann sicherlich mit gutem
Recht vermutet werden, dass der Meilenstein vielleicht
mit dem Bau der Chaussee zwischen Charlottenburg und
Spandau im Jahre 1822 errichtet worden ist. Aus dem
Hinweis in der Kabinettsorder vom 13. Juli 1875, dass
"der Stein bisher schon nicht das Wegemaß von 1
Meile genau bezeichnet habe, vielmehr zu diesem Behuf
ein kleiner Stein in der Nähe angebracht worden war"
und "sich an den erstgenannten Stein verschiedene
Erinnerungen" König Wilhelm I. anknüpfen, wird
vermutet, dass der Stein einem Wunsch der Königin Luise
so errichtet wurde, dass der Stein in gleicher Höhe
mit den von ihr bewohnten Zimmern stand. Dann müsste
der Stein aber bereits vor 1810 errichtet worden sein.
Es kann damit aber auch als sicher gelten, dass dieser
Meilenstein weniger der Anzeige der Entfernungen diente,
sondern mehr dekorative Bedeutung hatte. Der Hinweis
von Wilhelm I. könnte sich vielleicht aber auch darauf
beziehen, dass sein Bruder Friedrich Wilhelm IV. evtl.
sogar schon als Kronprinz, den ebenfalls besondere Beziehungen
an das Schloss Charlottenburg banden, für die Meilensäule
nach italienischer Skizze einen Entwurf geliefert hatte,
wie er es in vielen anderen Fällen für seinen Vater
und seine Brüder getan hatte. So kann also nur festgehalten
werden, dass nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse
der Meilenstein zwischen 1800 und 1846 vor dem Schloss
auf dem Luisenplatz errichtet worden ist. Ob er
von Anfang an an der in späteren Bildern gezeigten Stelle
nördlich des Spandauer Dammes, am Rande der Grünfläche
des Luisenplatzes mit einer bogenförmigen Ausweitung
des Gehweges stand, ist auch nicht eindeutig zu beweisen,
aber zu vermuten. Die Gestaltung des Meilensteines weicht
in zwei Punkten von denen auf der Berlin-Potsdamer Straße
ab. Die Meilensteine auf dieser Strecke sind voll aus
Sandstein und waren vor ihrer Renovierung 1936 aus Ton.
Der Stein vor dem Charlottenburger Schloss besitzt eine
Inschrift "1 Meile von Berlin", die auf einer
in Sandstein eingelassenen gusseisernen Tafel angebracht
ist. Kugel und Spitze des Charlottenburger Meilensteines
sind aus Metall, nach Berichten anlässlich der Renovierung
1937 aus Zinkguss. Kugel und Spitze sind vergoldet.
Die Anbringung der gusseisernern Tafel ist wohl eine
Folge des wechselnden Schicksals dieser Meilensäule.
Nach einer Vielzahl von Berichten, ist bei der Neuvermessung
der Chaussee, infolge der Einführung des Meter-Entfernungsmaßes
durch die Chausseeverwaltung die Säule in die Nähe des
alten Ruhlebener Schlosses gebracht worden, um hier
die Entfernung "10 km" anzuzeigen. Dabei wurde
die Meilenangabe entfernt. Kaiser Wilhelm I. entging
diese Veränderung nicht, er forschte nach dem Verbleib
der Säule und ordnete die Zurückführung mit einer Kabinettsorder
vom 13. Juli 1875 an: "Es ist zu meiner Kenntnis
gekommen, dass der sog. Meilenstein auf dem Luisenplatz
vor dem Charlottenburger Schloss zu Charlottenburg von
der Chausseeverwaltung mit Rücksicht auf die anderweitige
Abmarkung der örtlichen Entfernungen nach Kilometer
entfernt worden ist. Jener Stein hat schon bisher nicht
genau das Wegemaß von 1 Meile bezeichnet, vielmehr war
meines Wissens zu diesem Behufe ein kleinerer Stein
in der Nähe angebracht; dagegen knüpfen sich an den
erstgenannten Stein verschiedene Erinnerungen. Ich bestimme
daher, dass der selbe Stein an der selben Stelle wieder
aufgerichtet werden soll; der Chausseeverwaltung bleibt
überlassen, an dem für das Wegemaß entscheidenden Orte
als Merkmal einen besonders herkömmlichen, ohnehin kleineren
Stein zu setzen." Seit dieser Zeit ist der Stein
durch viele Abbildungen, Karten und Zeichnungen an den
Luisenplatz in der oben beschriebenen Form dokumentiert.
1904 begannen die Arbeiten für die Errichtung eines
Denkmals Friedrich III., dem musste der Meilenstein
weichen. Er wurde spätestens 1905 auf die Südseite des
Spandauer Dammes versetzt, an die Stelle, wo er noch
heute steht. 1937 wurde der Stein in einer Werkstatt
durch einen Bildhauer ausgebessert und neu aufgestellt.
1960 fand eine weitere Renovierung statt, bei der auch
die Kugel neu vergoldet wurde. Eigentümer des Steines
ist das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Unterhaltungspflichtiger
das dortige Tiefbauamt, dort befinden sich auch die
Akten aus neuerer Zeit. Im Denkmalverzeichnis ist eingetragen:
"Spandauer vor 7, Meilensteinen um 1842, von Friedrich
August Stüler"; das Letzte dürfte nach Aktenlage
zutreffend sein; ebenso sind Skizzen von Friedrich Wilhelm
IV. über Kugelmeilensäulen erhalten. Solche Kugelmeilensäulen
hatte auch Goethe auf seiner Reise nach Italien gesehen
und in seinen Skizzenbüchern festgehalten, sie galten
allgemein als typisches Merkmal für die klassische römische
Säule, die Entfernungen oder andere Wegmarken anzeigten.
1990 wurden Kugel und Spitze erneut restauriert.
Literatur:
- Akten des Geheimen Staatsarchivs Preußischer
Kulturbesitz (GStAPK):
Anlegung einer Chaussee
vom Brandenburger Tor nach Charlottenburg; Preußischer
Staat, Generaldirektorium; Regierung der Kurmark,
1798 - 1800, und Zivilkabinett des Königs, 1797 - 1806.
- Akten des Tiefbauamtes Charlottenburg
- Ahlert, Krienitz, Wallner, Berliner Poststraßen
1800 - 1805.
Bereisungsprotokolle der Poststraßen,
Aktensammlung der Gesellschaft für deutsche Postgeschichte,
Bezirksgruppe Berlin
- Bahn, Von alten Poststraßen und Meilensteinen,
Mitteilungen des Postmuseums Berlin 1966
- fhg, Ein Meilenstein, Der Charlottenburger,
20. Januar 1950
- Gundlach, W., Geschichte der Stadt Charlottenburg,
1905
- Ledât, Alte Meilen- und Postsäulen im Reichs-Postgebiet
in Archiv für Post und Telegraphie, Berlin 1912
- Liman, Herbert, Die Postmeilensteine in Berlin,
in Aus der Berliner Postgeschichte, Heft 3/1984
- Liman, Herbert, 200 Jahre Chaussee Berlin-Charlottenburg,
in Deutsches Technik Museum Berlin, FDTM-Info 4/99
- Sasse, W., Wege und Meilensteine weisen nach
Berlin in Edwin Redslob zum 70.Geburtstag, Berlin
1955
- Sasse, W., War der Meilenstein auf dem Dönhoffplatz
das "milarium aureum" Berlins? In Berliner
Heimat 1957
- Sichelschmidt, Charlottenburg in alten Ansichten,
Europäische Bibliothek, Zaltbommel, NL 1976
- Winkel, G. G., Der Bär, XVI. Jg., Nr. 45, 9.
Aug. 1990, Kleine Mitteilungen, S.538 (Der Meilenstein
vor dem Schloss Charlottenburg)
- Wirth, Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin,
Stadt und Bezirk Charlotteburg (s. 490), Berlin
1961
- Das Schicksal der Berliner Meilensteine, DAZ,
12. November 1937
- Öffentliches Verzeichnis der Denkmale in Berlin(Denkmalliste
Berlin), Abl.Nr. 23/29.05.1997, Seite 1498
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